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Sie haben keine Sprungkraft, - sehen fettig aus, - stehen ab oder sie fallen zusammen. Viele Menschen stehen morgens vor dem Spiegel und verzweifeln fast. Die Haare, die Frisur, viele Haare in der Bürste, die Frisur lässt sich nicht formen. Was ist es eigentlich, was uns da täglich aufs Neue verzweifeln lässt?
Biologisch sind die Haare Bestandteil unseres Körpers und unseres Lebens. Was wir essen, was wir trinken, wie wir mit uns umgehen, alles spiegelt sich in unseren Haaren wieder.
Um Haare verstehen zu lernen, müssen wir einmal in der Geschichte zurückgehen. Für die Urmenschen waren die Haare erst einmal Schutz vor Hitze, Kälte und Nässe.
In heißen Regionen sorgten sie dafür, dass der Schweiß auf der Kopfhaut stehen blieb. Es entstand die so genannte Verdunstungskälte. Der Körper kühlte ab. In kalten Gegenden speicherten sie Fette und erwärmten so die Haut. Das Haar des Menschen war wie das Fell eines Tieres. Je glänzender und voller das Haar, desto gesünder der Mensch. Diese Regel gilt auch heute noch.
Die Haare sagten und sagen auch etwas über die Lebenssituation des Trägers aus. Je mächtiger das Fell (das Haar), je stärker und mächtiger der Mensch. Je dünner und feiner, je machtloser wirkt der Träger der Haare.
Schon im alten Testament wurden Gefangenen und Sklaven die Haare abgeschnitten. Sie wurden dadurch willenlos gemacht. Das "Haare abschneiden" galt als sichtbar gemachte Strafe. Meist waren Frauen davon betroffen. Das letzte Urteil dieser Art wurde 1946 in Straßburg gesprochen. Französinnen, die im 2. Weltkrieg etwas mit deutschen Soldaten hatten, wurden zum Haare abschneiden verurteilt. Das Abschneiden geschah öffentlich.
Haare sind ein sichtbar gemachtes Zeichen der Lebenssituation und des Alters. Junge Mädchen trugen und tragen in der Regel in allen Kulturen lange, offene Haare. Diese werden, wenn das Mädchen das Elternhaus verlässt, abgeschnitten. Die Tochter löst sich vom Elternhaus. Sie ist reif geworden und geht in eine neue Zeit. In vielen Religionen und Kulturen werden immer noch die Haare einer Frau in der Öffentlichkeit unter einem Schleier verborgen. Die offenen Haare darf nur ihr Geliebter sehen. Ist die Ehe geschlossen, wird das Mädchen zur Frau. Die Haare werden zu einer Frisur geordnet. Nur der Ehemann darf die Frisur öffnen und sich immer wieder an der Schönheit des Haares erfreuen.
Die kluge Frau hat früh gelernt mit ihren Haaren zu spielen, sie zu streicheln, sie zu bürsten und dabei Ruhe und Geborgenheit zu empfinden. Dies gibt sie an ihre Kinder weiter. Bekommt die Frau dann später graue Haare, gilt sie als weise. Sie regelt das Leben so wie sie ihre Haare ordnet. Sie macht sich einen Zopf und bindet diesen um den Kopf, wie zu einer Krone.
Bei den Männern trugen die musischen Typen wie Maler, Musiker oder Minnesänger die Haare offen und lang. Die Soldaten und andere Staatsdiener mussten ihre Haare ganz kurz tragen. Naturburschen und Bauern sowie Landstreicher ließen ihr Haar wie ihr Leben vom Wind und der Natur pflegen. Die Haare flogen und waren frei wie der Mensch darunter. Die vornehmen Herren dagegen trugen geordnete Frisuren; gedreht und gesteckt, so wie ihr Leben war. Alles wurde gepudert und war dem höfischen Leben untergeordnet.
Die Pharaonen im alten Ägypten - die Erfinder der Diplomatie - trugen dagegen eine Perücke, so dass niemand erkennen konnte was sie dachten. Ob ihnen die Haare zu Berge standen oder ob sie aber vielleicht macht- oder willenlos waren. Diese Regel gilt noch heute bei den englischen Richtern.
Nach dem zweiten Weltkrieg trugen in Mitteleuropa die Einwohner alle geordnete Haarschnitte. Bei den Frauen musste der Nacken in der Regel freigeschnitten sein. Nur die jungen Mädchen trugen ihre Haare offen. Den Buben wurden sie ganz kurz geschnitten, denn sie mussten artig und folgsam sein. Bei Männern war es Pflicht, die Ohren frei geschnitten zu tragen. Es durfte kein Millimeter über dem Rand des Ohres zu sehen sein. Dies prägte die Aufbau- und Ratiozeit.
In den zwanziger Jahren, als die Frauen anfingen sich „Freiheit“ zu nehmen, wurden die alten Zöpfe abgeschnitten und der Bubikopf war da. Im Dritten Reich mussten die Frauen sich wieder ordentlich frisieren, die Olympiarolle wurde geboren.
1958: Die Ratiozeit lief aus. Die Menschen hatten wieder Wohlstand. Somit wurde auch immer mehr nach dem Sinn des Lebens gefragt. Und was geschah mit den Haaren? Die Beatles und ihre Frisuren wurden zur Leitfigur. Die Haare durften über die Ohren wachsen. Es setzte freies und revolutionäres Denken ein.
Bei den Frauen setzte sich mit der Entwicklung der Antibabypille die Löwenmähne durch. Die Löwenmähne sagte aus: Seht her wie stark und mächtig wir sind.
Auch die 68er Revolution brachte neue Haarmoden hervor. Autonome ließen sich Haare wachsen und wurden zum Sinnbild von eigenem Denken und Handeln. So entwickelte jede Generation ihre eigenen Verhaltensweisen. Über die angepassten Popperfrisuren bis hin zu den aggressiven Punkern, die u.a. auch über ihre Frisur ihr Gruppendenken brachten.
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